Oft wird Aberglaube und Hexenverfolgung mit dem Mittelalter in Verbindung gebracht. Die Menschen glaubten an allerlei Amuletten, dunkle Mächte, Talismane und übernatürliche Kräfte. Sobald ein nicht einfach zu erklärendes Phänomen auftrat, neigten die Leute es den Hexen vorzuschieben. Doch, war es nur im Mittelalter so? Wann fanden die Hexenverfolgungen statt? Waren nur mittelalterliche Menschen abergläubisch?

 

Heinrich Kramer, auch als Henricus Institoris bekannt, war ein Dominikanermönch und Autor des Buches Hexenhammer. Er lebte zwischen 1430-1505, also in der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit. In seinem Buch versuchte Kramer seine Argumente für die Hexenjadg zu erklären. Nach seiner Theorie stand Hexerei in einer engen Verbindung mit Frauen.

Durch die Medien-Revolution, die der Buchdruck bedeutete, konnte sein Buch verbreitet werden und somit seine Ideen über Hexen und Aberglaube. Aber nicht alle akzeptierten seine Thesen einfach so. Bischof Golser schrieb 1486 einem Freund über Institoris, der in seinem Bistum Hexen verfolgen wollte: „Mich verdrießt der Mönch gar sehr im Bistum… Ich finde in des Papstes Bulle, dass er bei vielen Päpsten zuvor Inquisitor gewesen, es dünkt mich aber in seinem Alter ganz kindisch geworden zu sein. Als ich ihn hier zu Brixen (…) gehört habe. Ich habe ihn geraten, dass er in sein Kloster ziehen und da bleiben soll. Er selbst scheint mir wirklich verrückt zu sein.“ (aus der Hexenausstellung in Dinkelsbühl, Rothenburger Turm, 2011). Golser verwies Institoris des Landes.

Warum kam es zur Hexenverfolgung?

Die Jahrhunderte zwischen 1400 und 1700 waren eine ausgesprochene Krisen- und Umbruchszeit. Klimaveränderungen wie die „Kleine Eiszeit“ führten zu langfristigen Preissteigerungen der Lebensmittel. Die Zeiten der Teuerungen fielen mit Zeiten extremer Hexenverfolgung zusammen. Seuchen, Kriege und Pest verstärkten die Endzeitstimmung. Die Menschen der Frühen Neuzeit waren von apokalyptischer Angst getrieben. Die Hexenverfolgung wurde dabei als finaler Kampf des Christentums gegen das Heer des Bösen angesehen. Ein Moselländischer Winzer fasste seine Verzweiflung am Ende des 16. Jahrhunderts in Worte: „Gott ist tot und der Teufel ist jetzt Meister.“

Die biblische Apokalypse gibt die zweitweilige Lebenswelt der Menschen des 16. und 17. Jahrhundert wieder. So lautet in der Johannes-Offenbarung: „Ein Engel posaunnet / Sonn – Mond und Stern verfinstert. Weh – weh – weh wird über die Erdt geschriehn.“

„Es war, entgegen weitverbreiteter Vorurteile, nicht das finstere Mittelalter in dem die Hexenverfolgung ihren Höhepunkt hatte. In der frühen Neuzeit, dem Zeitalter der Entdeckungen großer Kontinente, der Erfindungen und Errungenschaften, wurden Menschen als Hexen und Hexer verurteilt.“ (Hexenausstellung, Dinkelsbühl, Rothenburger Turm, 2011)

 

Aber nicht nur Hexen waren befürchtet: In der Lebenswelt der Menschen spukten auch Wiedergänger herum. Darüber informiert die Doku Vampirskelette – Untote im Mittelalter.

 

Der Pilz „Mutterkorn“ – Erklärung für die mitteleuropäische Hexenverfolgung?

Der Verzehr von „Mutterkorn“-Korn kann zu Halluzinationen und Angstzuständen führen. So berichtet die Doku Verhext – Die Hintergründe des Hexenwahns. Die Professorin Mary Mattosian forschte über den Einfluss dieses Pilzen auf Menschen und „fand heraus, dass die Regionen in denen es Hexenverfolgungen und Hinrichtungen gab, gleichzeitig die Hauptanbaugebiete für Roggen waren, und nicht nur das. Zu jener Zeit war das Klima in Westeuropa anders als in der Gegenwart. Die Wetterbedingungen [nass-kalte Sommer] waren perfekt für die Entstehung des Mutterkorn im Roggen.“

Foto (Georg Lehle) & Text aus Dauerausstellung Alchemie- und Hexengarten, Schlossgarten Weikersheim.

„Mit einem Männerhemd, das mit Eichenlaub gefüllt ist und in einen Maulbeerbaum gehängt wird, sollen Hexen Wind gemacht haben können.“

 

 

 

 

 

Hexenverfolgung in Rothenburg o/T

In Rothenburg ob der Tauber kam es „zu keiner Zeit zu regelrechten Hexenverfolgungen mit Todesurteilen“ (Schnurrer, Die Linde, 2003, 85. Jahrgang). Es gab keine einzige Frau, die aufgrund des alleinigen Vorwurfs der Hexerei verbrannt wurde. Der Vorwurf der Hexerei diente lediglich der zusätzlichen Legitimation des Todesurteiles (A. Rowlands, Witchcraft narratives in Germany Rothenburg 1561-1652).

 

Das Leben eines Henkers in Rothenburg / Einige Einblicke

 

Unehrlichkeit des Henkers

Im 14. Jhrd. wurde der Henkersturm gebaut, da niemand der Nachbar des Henkers sein wollte. „1339

Henkersturm, Rothenburg ob der Tauber

wohnte der Henker noch in der Sulzengasse.“ (Diss. Eichhorn, 1947, S. 104). Links und rechts des Turmes befinden sich Treppenaufgänge, weil die Bürgerwehr nicht oben durch den Turm gehen wollte. So stiegen die Männer vor dem Turm ab und bestiegen nach dem Henkersturm wieder die Mauer.

Ein Bericht aus dem Jahre 1395 veranschaulicht, wie schlimm die Ausgrenzung des Henkers war. Ein Verurteilter bevorzugt sich die Augen ausstechen zu lassen, als den Henkerberuf zu übernehmen: „Einem gefangenen Opferstockdieb wird freigestellt, Nachrichter für lo Hinrichtungen zu werden oder sich die Augen ausstechen zu lassen. Entscheidet sich zuerst für Nachrichter, widerruft und lässt sich die Augen ausstechen.“ (1. Ufr. B. fol. 67/2)

Heiratsantrag für zum Tode verurteilte Frau – Gnadenbitte für eine arme Sünderin

„Auch der Scharfrichter hatte manchmal die Möglichkeit, durch Heirat einer armen Spenderin das Leben zu retten. 1525 findet der Rothenburger Henker auf diese Weise in Nürnberg seine Frau: Als er in Stellvertretung seines erkrankten Nürnberger Kollegen eine Kindsmörderin ertränken sollte, bat er sie unter Verzicht auf seinen Lihn zum Weibe. Die Bitte wurde ihm vom Rat gewährt. Die Begnadigte musste in der Urfehde schwören, die Stadt für immer zu meiden!“ (aus Wolfgang Oppelt, Über die „Unehrlichkeit“ des Scharfrichters, Diss. (Phil) Würzburg 1976, S. 87)

„vom Fett zu schneiden“

Ende 1582 wandten sich die Herren von Rosenberg wegen einer Hinrichtung zuerst vergeblich an den Mergentheimer Henker, dann zum Rothenburger. Dieser faßte dieses anfängliche Übergehen als Kränkung auf, und verlangte einen völlig überzogenen Preis von 40 Reichstaler. Die Rosenberger wiesen dieses Angebot empört zurück. Schließlich einigte man sich auf 19 Gulden – außerdem „auf sein anhalten geredt, ihm vergönnt worden, vom dem leibigen und fetten Todeskandidaten zu schneiden“. (Die Linde, 1972, 54. Jahrgang, Nr. 9, S. 70).

„sich dem bösen Feind verschrien“

Am 07. Mai anno 1614 bestrafte der Henker von Schwäbisch Hall seinen Rothenburger Kollegen Aichel. Im Henkersturm soll Aichel zusammen mit einem gewissen Niclas Brand, mit Hannß Ungarn von Gebsattel „eine vermummte Teufeley angestellt“ haben und „dermaßen verführt, dass er sich dem bösen Feind verschrien und seinen leiblichen Vatter über 400 fl angestohlen, in Meinung, solch Geld dem Nachrichter Aichel und Brand, als verstellten Teufeln, zuzustellen.“ (Vogtmann I, 189, Stadtarchiv Rothenburg).

1626 beschwerte sich der Henker Meyer über …

„…eine gewisse Unheimlichkeit und Ungeheure von Gespenst in meinem Fundament, fürnehmlich im Keller unten, allda Gebeine, den Menschengebeinen nicht ungleich, zu finden sein, eräugnen (=ersehen) tut, dass wir darob, sonderlich mein Weib und meine Kinder fast in steter Furcht und Schrecken schweben müssen, also ist mein untertänig Bitt, sie wolle in bemälten (erwähnten) Keller suchen und graben lassen, was etwan dahinter stecken möchte, dann vielleicht dardurch solchem Ungeheuer und Umgang ein Abbruch geschehen könnte.“ Seinem Wunsch wurde vom Rat entsprochen. (Die Linde, 1917, 9. Jahrgang, S. 10)

Henkersmahlzeit

Im Februar 1747 wurden in der Umgebung Rothenburgs ein „Jauner“, ein herumtreibender, beschäftigungsloser Mann, seine Frau sowie eine weitere Frauenperson aufgegriffen und ins städtische Gefängnis im Büttelhaus eingeliefert. Sie wurden einem langwierigen, genauen Verhör unterzogen, das sich bis in den Mai 1747 erstreckte. Sie gestanden dabei nach und nach, nicht nur seit Jahren beschäftigungslos und bettelnd in ganz Sddeutschland herumgezogen zu sein, sondern auch eine kaum mehr übersehbare Reihe von kleineren und größeren Diebstählen begangen zu haben. Sie wurden als rückfällige, mehrfach vorbestrafte Diebe zum Tode verurteilt. Der Tradition folgend wurden ihnen zwei Tage vor der Hinrichtung je eine Mittags- und Abendmahlzeit bestellt. Während dieser zwei Tagen verzehrten sie eine unglaubliche Menge an Fleisch, außerdem sind „1 Eymer, 59 Maaß Wein (…) und 42 Maaß Bier in Thurn geliefert worden“ (Schnurrer, Die Linde, S. 7, „Henkersmahlzeit“).

Hinrichtungsort

Erst befand er sich im Taubertal im sogenannten „Herzacker“ direkt unterhalb der Stadt. Später wurde er verlegt zum Würzburger Tor, genannt „Galgenturm“.

Am „Rabenstein“ wurden die Aufgehängten hängen-gelassen, unter ihnen wuchsen „Galgenmännchen“, die als Wunderheilpflanze geltende Alraune. Auch die „Galgenvögel“ fanden immer etwas zu picken …

Die Kirche kümmerte sich um das Seelenheil des „armen Sünders“, ein Pfarrer hielt das Kreuz vor die Augen des Todgeweihten …

Schandgeige

… war eine Schandstrafe für zänkische Frauen.

 

Legenden aus dem (ehe.) Rothenburger Land, genannt „Landheg“

In Unteroestheim …

… gibt es ein „bodenloses“ Loch, im Volksmund „Meerader“ genannt. Die Quelle ist sechs Meter tief und dort lebte ein Wasserfräulein, die den Menschen viel Gutes tat. Als sie jedoch einmal zu spät vom Kirchweihtanz zurückkam, passierte es:

„Bald stieg ein Blutstrom aus dem Schlunde auf, von dem Fräulein aber ward seitdem keines mehr gesehen.“(.S. 61)

In den Wäldern zwischen Schnelldorf und Insingen …

… treibe sich ein „Hehopp“ herum, ein geschrumpfter germ. Wotan, ein Neckgeist, der durch Hilferufe Menschen anlocke und ihnen dann Ohrfeigen verpasse. Durch stures Ignorieren könne man den Geist jedoch seiner Macht berauben. (S. 63)

Südöstlich von Schmerbach …

… gibt es zahlreiche Erdfälle vom Volksmund „Schwundlöcher“ genannt. Es gäbe eine unterirdische Hundskirche mit unterirdischen Gängen, drei weiße Fräulein geistern dort herum und den „schwarzen Hund auf dem Schatz“. (S. 95), („Die Landhege – Streifzüge durch das ehemalige Rothenburger Landgebiet“)

 ➡ Vielen Dank an das Rothenburger Stadtarchiv